Holy, Moly, Malinalco
Restaurant-Bar La Casona, Avenida Hidalgo esquina Morelos, Malinalco, Bundesstaat Mexiko, Mexiko
Blick vom Cierro de los Idoles auf das in der Sonne schmorende Malinalco
Matzlatzinca gegen Azteken vs Conquistadores
Vom Rand des mit Basaltsteinen gepflasterten Platzes reicht der Blick übers ganze Tal, bis zu den gegenüberliegenden Hängen und den Bergspitzen dahinter. Am Talboden liegen Felder, vom Winter noch verdorrt. Die Talflanken, die sich zu dunklen Felsklippen hinaufschwingen, sind mit grünenden Büschen und Bäumen bedeckt. Direkt unter uns leuchtet, in der frühlingshaften Mittagssonne, Malinalco.
Unterlegene Kämpfer werden der Sonne geopfert
Vom Cierro de los Idoles aus, den wir über 426 Stufen bestiegen haben, blickten schon die Azteken herab - und sahen die spanischen Eroberer heranmarschieren. Der Bau der Tempelanlage, die, teils aus dem Fels gehauen, teils an den Hang gemauert, die Kuppe des Hügels einnimmt, wurde erst im 15. Jahrhundert begonnen, nachdem die Azteken den Landstrich den Matzlatzinca abgerungen hatten. Die "Adler- und Jaguarkrieger", rekrutiert aus den Mitgliedern der lokalen Machtelite, preisten hier ihre Götter und lieferten sich zeremonielle Zweikämpfe mit gefangengenommenen Widersachern. Letztere wurden für die Duelle allerdings nur unzureichend bewaffnet und, nach der so gut wie sicheren Niederlage, im Haupthaus der Tempelanlage der Sonne geopfert.
Segen des Christentums
Dennoch schreibt die Überlieferung den Adler- und Jaguarkriegern eine außerordentliche Tapferkeit zu. In elaborierten Initiationsriten mussten sie diese unter Beweis stellen. Schließlich wurden aber auch sie von den spanischen Truppen in die Knie gezwungen. Nach einigen ersten zaghaften Siedlungsversuchen ließen sich Augustinermönche in Malinalco nieder und gründeten 1540 ein Kloster, um die verlorengehen zu drohenden Seelen der einheimischen Bevölkerung der allein seligmachenden Christenheit einzuverleiben.
Mission accomplished!
Heute, im bis ins Mark katholisierten Mexiko, ist die Mission erfüllt und das Kloster aufgegeben. Die angeschlossene "Iglesia del Divino Salvador", die Kirche des Heiligen Erlösers, ist aber nach wie vor das Zentrum des religiösen Lebens in dem rund 6000 Einwohner zählenden Ort. Besonders am Karfreitag, in der "Semana Santa", der Heiligen Woche, die dem Osterfest vorausgeht, und in der wir in Malinalco unterwegs sind.
In der Iglesia del Divino Salvador
Das Kircheninnere ist üppig mit Blumen geschmückt. Links vom Eingang senkt ein lebensgroßer Christus im dunklen Umhang, mit Dornen bekrönt, von denen das Blut über sein Gesicht rinnt, den Blick zu Boden. Rechts hebt eine vom Schmerz gezeichnete Maria ihre Augen zum Himmel, flehend legt sie ihre Hände aneinander. Immer wieder treten Familien, vom tapsenden Mädchen bis zum lahmen Großvater, aus dem hellen Frühlingstag ins Dämmerlicht des Kirchenschiffs, bekreuzigen sich vor der Gottesmutter, Ihrem Sohn, und steuern, getragen und ehrfurchtvoll, eine der noch leeren Holzbänke an.
Prächtiger Ausblick ins Jenseits
Nebenan, im Kreuzgang des Klosters, ist der Frühling in voller Blüte. Wunderschöne, in schwarz und weiß gehaltene Fresken erstrecken sich über alle vier Wände. Zwischen sich umschlingenden Ästen und Zweigen lugen Papageien, Kaninchen, Tauben und Affen aus dem Blätterwerk hervor. Der Besucher soll, so wollten es die Augustiner, den Eindruck gewinnen, mit dem Betreten des Kreuzgangs die Schwelle zum Paradies überschritten zu haben.
Kein Paradies ohne Versuchung
Schmetterlinge, Vögel und Bienen flattern und summen durch den Paradiesgarten, sie versinnbildlichen die befreiten Seelen der Menschen. Doch kein Garten Eden ohne Versuchung: direkt gegenüber des Eingangs wächst unheilvoll der Baum der Weisheit empor, eine Schlange ringelt sich um seinen Stamm und scheint, wie eine frühe Kaa, eine leichtsinnige Taube mit ihrem Blick zu hypnotisieren.
Der Baum der Weisheit im Kreuzgang des Klosters
Schattige Plätzchen vor der Kirche
Irdische Verlockungen
Über den grünen, mit ausladenden Bäumen bestandenen Vorplatz, in deren Schatten sich einige Besucher auf dem Rasen niedergelassen haben, gelangen wir zum Markt. Der Geruch von süßem, reifem Obst mischt sich mit Schwaden von brutzelndem Fett, die sich, zum blauen Himmel aufsteigend, in den Baumkronen verfangen. Kochbananen und Maisfladen, dicke rote Würste und fein gehackte Fleischstückchen, braten auf gusseisernen Platten.
Am Eingang zum Markt: rein ins Getümmel!
Sonnengegerbte Bauern aus dem Umland türmen Guaven, Avocados, Kaktusfrüchte und Papayas auf kleine Plastiktischchen. Verkäuferinnen greifen auf Fingerzeig nach Broten, Brötchen, Mandelschnecken, süßem Blätterteig und mit Milchreis gefüllten Teigecken, die sie zuvor in den Holzöfen im Ort gebacken haben.
Es ist angerichtet: lokale Erzeugnisse
So präsentiert man Obst! (hier: Guaven)
Eine Prozession mit einem leibhaftigen Messias an der Spitze, schwer gebeugt unter der Last des mannshohen Holzkreuzes, welches er, über seine Schulter gelegt, mit sich schleift, gefolgt von zwei Hundertschaften teils berittener römischer Soldaten aller Altersklassen, bahnt sich den Weg durchs Gedränge. Später werden die Römer sich, von stolzen Ehefrauen und Müttern umringt, neben den Ausflüglern auf dem Rasen des Kirchenvorplatzes niederlassen. Am Abend steht schon der nächste Marsch durch den Ort an.
Muchas truchas!
Neben Land- und Forstwirtschaft ist die Forellenzucht der wichtigste Lebenserwerb in der Umgebung. Aus den Hängen sprudelt frisches Quellwasser, darin wachsen die Forellen heran. Sie wurden schon von den Pilgern gerühmt, die auf dem Weg zum Heiligtum im benachbarten Chalma in Malinalco ein letzes Mal Rast machten.
Mittagszeit im La Casona
Also kosten! Im Restaurant "La Casona", direkt oberhalb des Kirchplatzes, bestellen wir eine "Trucha a la mexicana". Mit Tomate, Zwiebel, Paprika und Epazote, wohlriechendem Gänsefuß, gefüllt, wird sie in Alufolie gedünstet. Dazu gibt es ein wenig Reis und Salat, Limette und scharfe grüne und rote Salsa.
Trucha a la mexicana, dazu Agua de Jamaíca
Sicher ein einfaches Gericht, aber mit einem wirklich sehr feinen, zarten und gar nicht muffigen Fischlein. An Karfreitag wird, zumindest offiziell, kein Bier ausgeschenkt. Der hausgemachte Eistee aus der fruchtig-säuerlichen Jamaicablüte, nur ein wenig gesüßt, lässt die ohnehin eher mäßigen mexikanischen Varianten des Hopfensafts aber nicht missen.