Die Gräfin mags spartanisch
Condesa, Marienplatz 11, Stuttgart
Birnen-Schokoladenkuchen mit Paranüssen
Kaiserbau
Der Kaiserbau ist sicher einer meiner Lieblingsplätze in Stuttgart. Anno 1911 von der
Architektensozietät Bihl & Woltz errichtet, die zusammen mit Georg Eser auch das
Linden-Museum im Stuttgarter Westen schuf, vermag seine nüchterne, neoklassizistische Fassade es sicher nicht, bewundernde Blicke auf sich zu ziehen.
Die inneren Werte aber sprechen für sich, beherbergt der Bau neben der BW-Bank,
einem Bikeshop und einem Plattenladen doch auch drei Lokalitäten, in
die ich gerne jeden Besuch in Stuttgart ausführe: das Kaiserbau Café, das L.A.
Signorina und das Condesa.
Neu-Bohème
Wer statt gediegener Kaffehausatmosphäre wie im Kaiserbau Café oder zeitgenössisch
interpretierter Pizzeria wie im L.A. Signorina eher den Schick der Neo-Bohème sucht
oder sich gar zu dieser zählt, ist am Marienplatz im Condesa jedenfalls gut
aufgehoben. In der "Gräfin" lässt es sich zwischen zusammengewürfeltem Mobiliar
nämlich wunderbar und aufs Wesentliche reduziert Kaffee trinken. Und, wenns der
Lifestyle fordert, auch im Leuchten des Mac-Bildschirms baden.
Viel mehr mehr braucht es nicht, um sich wohl zu fühlen.
Mit wenig Aufwand haben die Macher hier den Spagat geschafft, einen schlichten, aber
nicht kahlen Raum zu schaffen. Grünes Linoleum, emaillierte Blechlampen, eine Theke
aus unbehandelter, verleimter Birke und ein oder zwei offene, freundliche
Thekenkräfte, dazu noch einige frische Blumen auf den Tischen - viel mehr braucht es
tatsächlich nicht, um sich wohl zu fühlen. Und das doch auch so süß sein könnende
Leben zu genießen.
Übersichtlich & fein
Neben den üblichen Kaffeevariationen, die recht gefällig in Bistrogläsern serviert
werden, lassen sich im Condesa hauseigene Limonade, ein kühles Bier und einige wenige
Longdrinks verkosten. Dazu gesellen sich dann noch mehrere süße und salzige
Backwaren.
Marienplatzschorle
Die "Marienplatzschorle" zum Beispiel, eine Mischung aus Kessler Sekt und Tonic, auf
Eis und mit Gurkenscheiben vollendet, funktioniert prächtig. Meiner Meinung nach
sogar deutlich besser als das Vorbild mit Gin. Während der Gin nämlich vor lauter
Gurke ziemlich abstinkt, gibt die feine Säure und Herbe des Sekts derselben das
fällige Kontra. Frisch wie eine leichte Limonade; daher nach meinem Gusto aber eher
was fürs Frühjahr und den Sommer.
Den von mir genossenen Schokolade-Birnen-Kuchen empfand ich als äußerst
wohlschmeckend: sehr schmelzig, gleichzeitig saftig durch die großen Birnenstücke,
mit gerösteten Paranüssen vervollkommnet und für die an den Tag gelegte Wucht fast noch
luftig. Fein!
Hoffentlich bleibts!
Aristokratische Raffinesse im Glas, Pomp auf dem Teller, minimalistische Gemütlichkeit
um einen herum, so lässt sich auf jeden Fall gut Zeit verdudeln.
Wie die Einrichtung es vermuten lässt, ist das Ganze ein Pop-Up-Konzept. Aus den
ursprünglich geplanten einigen Wochen ist nun aber schon mehr als ein Jahr geworden.
Es bleibt also zu hoffen, dass die Condesa Ihrem ergebenen Volke noch ein Weile
erhalten bleibt.
Nächster Post: Vom Hochland in die Bronx